Bauherr Gemeinde Kirchheim
Jahr 2011
Partner plan & werk Büro für Städtebau und Architektur
Preis 5. Preis
Ort Kirchheim
Der vorliegende Rahmenplan bietet die robuste und flexible Grundstruktur für eine stufenweise und nachhaltige Ortserweiterung für alle Generationen, die heute in Kirchheim leben und zukünftig leben wollen. Das Konzept vernetzt die neuen Siedlungsstrukturen mit dem Bestand und mit der Kulturlandschaft.
Die stadträumliche Verbindung der Ortsteile Kirchheim und Heimstetten wird durch ein Band aus Gebäuden mit wichtigen öffentlichen und sozialen Funktionen hergestellt.
Die neuen Wohnbauflächen entstehen in vier Quartieren, die sich rechts und links des Bandes jeweils an einen Grünzug anschließen. So kann eine stufenweise Entwicklung erfolgen. Jede Stufe funktioniert abgeschlossen in sich. Kommt ein neues Quartier hinzu, so liegt der Grünzug dann in der Mitte zwischen zwei Quartieren.
Durch die Grünzüge erfolgt gleichzeitig die Regionalvernetzung mit den Erholungs- und Freizeitlandschaften im Osten und Westen.
Freiraum
Die ordnende und gestaltende Grundstruktur wird aus der umgebenden Kulturlandschaft abgeleitet. Wie schon die Römerstraße durchziehen die Flurgrenzen und Flurwege als lange durchgängige Linien die Münchner Schotterebene. An dieses Thema knüpfen die Grünzüge und Baumreihen an und stellen die Vernetzung mit der umgebenden Region (Badeseen, Wildpark) her. Die Gestaltung erfolgt sehr extensiv und landschaftsnah, so dass der Pflegeaufwand den für die Kulturlandschaft nicht übersteigt.
Vier Arten von öffentlichen Freiräumen erzeugen qualitätvolle Freizeit- und Erholungsangebote für alle Bürgerinnen und Bürger Kirchheims. Allen Freiräumen liegt der Gedanke zugrunde, dass sich in ihnen die Fußwege aus allen Himmelsrichtungen vernetzen und neu verteilen können. Dadurch entsteht ein System aus kurzen Wegen, das autofrei durch alle Wohnhöfe, Quartiere, Grünzüge und Ortsteile führt.
- Der zentrale Landschaftspark bildet die große Freifläche für alle
- Die Ost-West orientierten Grünzüge zwischen den Quartieren schaffen spezifische Nutzungsangebote und Qualitäten für die benachbarten Quartiere wie Sport- und Spielflächen, Wind- und Lärmschutz, Lufthygiene, Retensionsflächen, Pufferspeicher
- Die öffentlichen Plätze entlang des Bandes bilden Begegnungsräume für gemeinschaftliche Aktivitäten (Märkte, Feste) der Bewohner aller Ortsteile und Quartiere
- Die Wohnhöfe bieten einen geschützten Ort der nachbarschaftlichen Begegnung vor der Haustür
Als private Freiräume stehen allen Bewohnerinnen und Bewohner Hausgärten zur Verfügung. An den Übergängen zur Landschaft sind die Ortsränder durch kleine Parzellen mit Grabeland für den privaten Obst- und Gemüseanbau und einen Adressbaum gefasst.
Ein Wegenetz verbindet die Grünzüge in Nord-Süd-Richtung und vernetzt die Quartiere sowohl untereinander als auch zwischen den Ortsteilen Kirchheim und Heimstetten für den Langsamverkehr (Fußgänger, Radfahrer). Diesem Ziel folgt auch die Errichtung zusätzlicher Stege über die Staatsstraße.
Bau- und Nutzungsstruktur
Die Baustruktur des Wohnungsbaus setzt sich aus sechs zwei- bis viergeschossigen Grundtypen zusammen, die, einer klaren Grammatik folgend, unterschiedlich angeordnet und kombiniert werden und dabei immer folgende Qualitäten erzeugen:
Orientierung nach Süden oder Westen, Anordnung der Gebäudeköpfe zu den Grünzügen im Norden, fußläufige Vernetzung zwischen den Grünzügen, Ausbildung von Kanten zu Sammelerschließungen, Gruppierung von unterschiedlichen Typen um einen autofreien Wohnhof oder autofreier Zugang zu einem Grünzug.
Entlang der Hauptstraße bilden die höheren Häuser ein Band aus öffentlichen und sozialen Einrichtungen: Rathaus mit Bürgersaal (der auch vom Gymnasium genutzt werden kann), Generationenhaus, Grund- und Hauptschule mit Erweiterung, Betreutes Wohnen, Supermarkt und Mehrzweckhalle; davor liegt ein zweites Band aus multifunktionalen Freiflächen für Feste oder Märkte. Durch diese Bänder sind die Ortsteile Kirchheim und Heimstetten räumlich und funktional verbunden. Gleichzeitig fassen sie den Raum.
Im Inneren der Quartier stehen zwei- bis dreigeschossige Wohnhäuser für das Wohnen (und Arbeiten) auf der eigenen Parzelle und auf der Etage.
An den Rändern zur Landschaft erzeugen niedrige Gartenhofhäuser einen weichen Übergang und schließen die Baustruktur räumlich ab.
Alle Wohnhäuser bilden Hausgruppen um Wohnhöfe und die Grünzüge. Innerhalb der Hausgruppen entsteht ein differenziertes Spiel aus Typologien und Höhen.
Grundsätzlich erlauben der Zuschnitt und die Orientierung der Baufelder in den Quartieren eine flexible Anordnung der Gebäudetypen:
wachsendes Haus, Generationenhaus, Reihenhaus, Turmhaus und Stadthaus können als Module ausgetauscht werden. Dementsprechend können die Gebäudetypen nachfragegerechte gemischt werden und erzeugen vielfältige Nachbarschaften zwischen Familien, Alleinstehenden, alten und jungen Menschen.
Entwicklungsstufen
Die bauliche Entwicklung Kirchheims kann stufenweise erfolgen. Jede Stufe besteht aus einem Quartier mit differenzierten Angeboten für das Wohnen auf der eigenen Parzelle und auf der Etage sowie zugeordneten Freiraumqualitäten. Jedes Quartier funktioniert in sich und erzeugt ein abgeschlossenes stadträumliches Bild und Orientierung: Es nimmt Bezüge zu den bestehenden Baustrukturen auf, bindet die vorhandenen inselartigen Wohnquartiere ein und bildet Ortsränder aus.
Die Quartiere können von Süden nach Norden entwickelt werden. Diesem Gedanken folgend sind auch am Band die öffentlichen und sozialen Einrichtungen angeordnet: das Rathaus mit dem Rathausplatz im ersten Bauanschnitt im Süden, die erst langfristig geplante Mehrzweckhalle im Norden.
Stufe 1: Rathausquartier
Stufe 2: Holzwegquartier
Stufe 3: Ludwigsquartier
Stufe 4: Lindenquartier und Ergänzungsquartiere im Norden, Westen, Süden und Osten
Den Anker für die bauliche Entwicklung der Quartiere bildet der Grünzug, der im jeweiligen Bauabschnitt auch als erstes angelegt wird.
Über das Band und die Grünzüge verbindet ein Netz aus Fuß- und Fahrradwegen die Quartiere untereinander sowie mit Kirchheim und Heimstetten.
Wohnen
Wohnen ist die zentrale Nutzung in den Quartieren. Für ein vielfältiges Angebot an unterschiedliche Bevölkerungsgruppen und Generationen sorgen sechs verschiedene Haustypen mit flexiblen und barrierefreien Wohnungstypen für Singles sowie kleine und große Familien aller Generationen:
- wachsendes Haus in drei Ausbaustufen
- Reihenhaus mit Staffelgeschoss und Dachterrasse
- Gartenhofhaus
- Generationenhaus mit bis zu sieben Wohnungen von zwei bis fünf Zimmern
- Turmhaus mit zwei bis vier Wohneinheiten
- Stadthaus mit 12 Wohnungen
- Wohnhof für Betreutes Wohnen
- barrierefreies Galeriehaus mit flexiblen Grundrissen für gemeinschaftliches Wohnen und Arbeiten
Jedes Haus wird über einen Wohnweg erschlossen, hat direkten Zugang zu privaten Freiflächen (Garten, Balkon, Terrasse) im Süden oder Westen und zu einem autofreien Wohnhof oder Grünzug.
Die einzelnen Haustypen werden so kombiniert, dass innerhalb der Quartiere und Wohnhöfe Nachbarschaften aus unterschiedlichen Wohnformen entstehen.
Entlang der neuen Hauptstraße mit direkter Anbindung an die öffentlichen und sozialen Einrichtungen sowie die Buslinie wird ein Abschnitt mit verdichtetem Wohnungsbau errichtet.
Der Immissionsschutz entlang der Hauptstraße wird durch die Organisation der Grundrisse sicher gestellt. Der Schutz vor Verkehrslärm aus dem Norden erfolgt sowohl durch die Naturbauwerke der Grünzüge als auch durch eine bauliche Abschirmung mit Nebengebäuden.
Besondere Wohnformen gibt es auch in einem öffentlichen Gebäude. Am Übergang zum Landschaftspark liegt südlich des Rathauses und gegenüber des Collegiums 2000 ein Wohnhof für Betreutes Wohnen mit flankierenden Einrichtungen wie einem Demenz- und einem Schaugarten.
Die Betreuung der Kinder wird durch dezentrale Angebote in den Quartieren gesichert. Hierfür werden drei neue Einrichtungen geplant: im Holzwegquartier, im Lindenquartier und im Ludwigsquartier. Dabei bilden das neue Kinderhaus und das bestehende Jugendzentrum ein sich ergänzendes Ensemble.
Erschließung
Rückgrat der Erschließung ist die Heimstettner Straße als Band, das sowohl von Kirchheim als auch von Heimstetten kommend zu den zentralen Einrichtungen Rathaus, Generationenhaus, Grundschule und Gymnasium führt. Es bildet Adresse und Orientierung. Das neue Rathaus liegt dabei als erstes und zentrales Gebäude in der Sichtachse beider Ortsteile. Dafür wird die Heimstettner Straße auf Höhe des Gymnasiums mit der Hauptstraße verbunden. Das dadurch neu gewonnene Bauland östlich der Ludwigstraße erzeugt einen Mehrwert, der diese Maßnahme wirtschaftlich trägt.
Die Erschließung der neuen Quartier erfolgt durch die Verlängerung bestehender Sammelstraßen. Im Inneren führen kurze Stiche zu einem dezentralen Netz aus kleinen Erschließungshöfen an denen überwiegend ebenerdig geparkt wird und die ein autofreies Wohnen ermöglichen.
Die Straßenräume sind mit flächensparenden, aber ausreichenden Querschnitten geplant, die ein gleichberechtigts Miteinander von Fußgängern, Fahrradfahren und dem motorisierten Verkehr zulassen.
Ein Netz aus Fuß- und Radwegen verbindet die Quartiere untereinander, mit den Ortsteilen und dem Landschaftsraum.
Energieeffizienz und Generationengerechtigkeit
Das Energiekonzept basiert auf einer einer energieeffizienten Siedlungs- und Baustruktur:
- Orientierung der Gebäude nach Süden bzw. Westen zur aktiven (Photovoltaik) und passiven Nutzung solarer Wärmegewinne
- optimale Besonnung ohne gegenseitige Verschattung der Süd- und Westfassaden
- kompakte Siedlungsstruktur
- günstiges A-V-Verhältnis durch kompakte Baukörper
Die Wärmeversorgung aller Wohnquartiere und der öffentlichen und sozialen Einrichtungen wird durch den Ausbau des Geothermie-Nahwärmenetzes hergestellt.
Für die dezentrale Versorgung der Quartiere im Sommerhalbjahr, in dem weniger Wärme benötigt wird, sorgen dezentrale Pufferspeicher in den Grünzügen, in denen in der verbrauchsarmen Zeit warmes Wasser gespeichert werden kann und die eine niedrigere Gesamtleistung des Netzes ermöglichen.
Das anfallende Oberflächenwasser wird aus den Quartieren über Versickerungsrinnen offen in die Grünzüge abgeleitet und kann dort auf Retensionsflächen verdunsten, versickern und wieder in den natürlichen Wasserkreislauf eingehen.
Die demografische Struktur Kirchheims mit einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung erfordert eine Anpassung des Angebots an Wohnformen. Dazu gehört ein größeres Angebot an kleineren Wohnungen, um der älteren, zunehmend alleinstehende Bevölkerung barrierefreie Wohnungsangebote vor Ort zu machen; in die frei werdenden Einfamilienhäuser können junge Familien einziehen. Aus Gründen der Altersstruktur liegt deshalb der Anteil des Geschosswohnungsbaus im oberen Bereich des Verteilungsschlüssels.
Auch bei der Gestaltung des öffentlichen Raums liegt das Augenmerk auf kurzen Wegen, Plätzen zum Verweilen und überschaubaren Quartieren, die nachbarschaftliche Begegnungen und generationenübergreifende Unterstützung fördern.