Bauherr GWG Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft Reutlingen mbH
Jahr 2012
Partner plan & werk Büro für Städtebau und Architektur
Preis Anerkennung
Ort Reutlingen
Das Ziel des städtebaulichen Konzepts für Orschel-Hagen Süd ist ist es die Bedeutung Orschel-Hagens als attraktiven Wohn-Standort zu stärken.
Durch familiengerechte und generationenübergreifende Angebote an neuen Wohnformen und ein differenziertes Angebot an öffentlichen und privaten Grünräumen werden vorhandene Themen aus Orschel-Hagen weiter entwickelt und durch neue Elemente zukunftsweisend ergänzt:
- Der Dietenbach und der Fuß- und Radweg auf der alten Straßenbahntrasse werden zu einem gemeinsamen neuen Grünraum „Dietenbachgrund“ für neue und alte Bewohner.
- Die gebaute Ökumene bleibt als autofreier Grünraum und Verbindung für Fußgänger und Fahrradfahrer erhalten; die Erschließung erfolgt von Westen.
- Die sanft abfallende Topografie ist in Orschel Hagen Süd Grundlage für die Anordnung von vier süd-west-orientierten Baufeldern auf jeweils einer Höhenlage.
- Allen Bevölkerungsgruppen werden innerhalb kleiner, durchgrünter Nachbarschaften zeitgemäße Angebote an Haus- und Wohnungstypen gemacht.
- Die Baufelder liegen jeweils an einem Anger und sind direkt mit den übergeordneten Fuß- und Fahrradwegen, dem Dietenbachgrund und dem Dresdner Platz verknüpft.
- Die vorhandene technische und soziale Infrastruktur wird genutzt, ergänzt und gestärkt.
- Der südliche neue Ortsrand wird zur offenen Kulturlandschaft durch öffentliche Gärten gestaltet und einen öffentlicher Fuß und Radweg begleitet.
Insgesamt stellt das Konzept einen zeitgenössischen Weiterbau der Gartenstadt Orschel-Hagen dar und bietet einen attraktiven Wohnstandort für alle Generationen, die heute dort leben und zukünftig leben wollen.
Bebauungs- und Nutzungsstruktur mit Entwicklungsabschnitten
Der städtebauliche Entwurf bietet die robuste und flexible Grundstruktur für eine stufenweise Entwicklung. Die vier Baufelder wachsen von Norden nach Süden wie eine Zwiebel von innen nach außen und lassen sich mit unterschiedlichen Gebäudetypen flexibel füllen. Jeder Bauabschnitt bildet einen eigenen Ortsrand aus, der beim Weiterbauen zum innenliegenden Anger wird.
Die neuen Baufelder und Baukörper nehmen Bezug zu den in Orschel-Hagen bereits vorhandenen Kubaturen und Größen. Durch die Mischung der Gebäudetypen sowie zeitgemäße Typologien des Generationenwohnens entstehen um die Anger kleine Nachbarschaften mit eigener Identität und attraktiven Freiraumbezügen.
An den Eingängen im Norden, Westen und in einer zukünftigen Entwicklungsstufe auch im Osten befinden sich die öffentlicheren Nutzungen:
- Neben der gebauten Ökumene das Kinderhaus am neuen Stausee, das mittelfristig ebenfalls in einen Generationenhof umgenutzt werden kann.
- Am westlichen Eingang der Generationenhof für generationenübergreifendes Wohnen in der Gruppe
- Im Osten ein Ersatzbau für den bestehenden Kindergarten.
Wohnen
Wohnen ist die zentrale Nutzung in Orschel-Hagen Süd.
Für ein vielfältiges Angebot an unterschiedliche Bevölkerungsgruppen sorgen Haustypen mit flexiblen und barrierefreien Wohnungstypen für Singles sowie kleine und große Familien aller Generationen. Diese Wohnformen werden nachgefragt und tragen zur demografischen Stabilisierung und sozialen Durchmischung Orschel-Hagens bei.
Das nördliche an Orschel-Hagen und den Dietenbachgrund angrenzende Baufeld ist vor allem für den Geschosswohnungsbau vorgesehen: Generationenhäuser mit drei bis fünf Wohneinheiten unterschiedlicher Größe und barrierefreier Geschosswohnungsbau zur Miete
Die drei südlichen Baufelder bieten Raum für unterschiedliche Konzepte des Wohnens im eigenen Haus: Reihenhaus, Turmhaus (als Doppelhaus oder klassisches Einfamilienhaus).
Die einzelnen Haustypen werden so kombiniert, dass innerhalb der Quartiere Nachbarschaften aus unterschiedlichen Wohnformen entstehen. Jedes Haus hat direkten Zugang zu einem autofreien öffentlichen Grünraum, dem Anger. Zusätzlich vernetzen Wohnwege und Gassen die Nachbarschaften.
Freiraum und Vernetzung
Zwei Typen öffentlicher Frei- und Grünflächen bilden das Rückgrat der Grünstruktur und erzeugen eine hohe Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum: Der Dietenbachgrund und die Anger.
Der Dietenbachgrund ist eine großzügige Grünfläche mit Parkcharakter, die den neuen und alten Bewohnern Orschel-Hagens als gemeinsame Erholungslandschaft dient. Über den Platz am neuen Stausee ist der Dietenbachgrund sehr gut mit der gebauten Ökumene und dem Zentrum um den Dresdner Platz vernetzt.
Die Anger bilden einen geschützten Grünraum, der den direkt anliegenden Bewohnern und Kindern zur Verfügung steht. Quartiersplätze und kleine Aufweitungen in den Wohnwegen und Gassen tragen zur zusätzlichen Identitätsbildung bei und erhöhen die Aufenthaltsqualität.
Das anfallende Oberflächenwasser wird in die Retentionsfläche des jeweils benachbarten Anger geleitet und dort durch Versickerung und Verdunstung wieder in den natürlichen Wasserkreislauf zurück geführt.
Fuß- und Radwege im Dietenbachgrund und am neuen Ortsrand im Süden vernetzen Orschel-Hagen und Orschel-Hagen Süd untereinander, mit den umgebenden Bebauungs- und Nutzungsstrukturen und binden es an die Infrastruktur Reutlingens an. Entlang dieser Wege liegen auch Gemeinschaftsflächen mit unterschiedlichen Angeboten und Verbindung zur Kulturlandschaft: Obstwiesen, Kräuterwiesen, Spielplätze, Grabeland und Feuchträume. Zusätzlich sorgen Wohnwege und Gassen für ein feingliedrige Vernetzung.
Erschließung
Die Erschließung erfolgt von Westen über die Rommelsberger Straße. Der zweite Entwicklungsabschnitt wird von Osten über die Aalener Straße erschlossen. Zukünftig können die beiden Anbindungen in Orschel-Hagen Süd miteinander verbunden werden.
Aufgrund des städtebaulichen Entwurfes kann im Endausbau mit einer Bewohnerzahl von ca. 400 Bewohnern gerechnet werden. Bei durchschnittlich drei Wegen pro Bewohner und Tag ergibt dies 1.200 Wege pro Tag. Nach Abzug des, im ungünstigen Fall 1/3-Anteils des Umweltverbundes, verbleiben 800 Fahrten mit dem motorisierten Indivdualverkehr (MIV). Bei einem durchschnittlichen Besetzungsgrad von 1,3 Personen pro Fahrzeug bedeutet dies ca. 600 Fahrten des MIV pro Tag. Dies sind bei einem Spitzen-stundenanteil von 10% ca. 60 Fahrten, die nach Norden in die Rommelsberger Straße einbiegen bzw. vom Süden von der Rommelsberger Straße in das Quartier abbiegen. Da es sich hier um einen Halbanschluss (rechts rein/ rechts raus) handelt, muss der Ost-Süd-Verkehr und der Nord-Ost-Verkehr an den nächstgelegenen Knotenpunkten wenden. Dies sind in der Spitzenstunde geschätzte 15 bis 20 Fahrzeuge, d.h. in der Regel nicht mehr als ein Fahrzeug pro Umlauf an den angrenzenden Lichtsignalanlagen.
Dagegen steht der nachhaltige und identitätsstiftende Erhalt der gebauten Ökumene als verkehrsfreie grüne Mitte zwischen Orschel Hagen, den Kirchen und Orschel-Hagen Süd.
Der ruhende Verkehr wird auf den privaten Flächen im Quartier untergebracht. Während für den Geschosswohnungsbau Tiefgaragen geplant sind, parken die Bewohner und Besucher der Reihenhäuser und Generationenhäuser am Kopf ihrer Gassen und die Bewohner der Turmhäuser auf ihren Grundstücken.
Energieeffizienz und Generationengerechtigkeit
Das Bebauungskonzept basiert auf einer energieeffizienten Siedlungs- und Baustruktur:
- kompakte Siedlungsstruktur
- optimale Besonnung ohne gegenseitige Verschattung der Süd- und Westfassaden
- Orientierung nach Süden bzw. Westen zur aktiven und passiven Nutzung solarer Wärmegewinne
- günstiges A-V-Verhältnis durch kompakte Baukörper
- „Passivhausstandard“
Das Konzept zur Energieversorgung kombiniert Nahwärme mit solarthermischer Unterstützung und dezentralen Wärmepumpen.
Im Plangebiet wird ein Nahwärmenetz errichtet und durch großflächige, dezentrale Solarthermie (ca. 5.000m²) versorgt. Solare Energie, die nicht direkt verbraucht wird, lädt einen Zentralspeicher neben dem Stausee geladen und kann in Übergangsperioden den Wärmebedarf abpuffern. Nur wenn die Netztemperatur witterungsbedingt zu stark sinkt, kann das Nahwärmenetz zunächst mit dezentralen Wärmepumpen ergänzt und danach auch mit Wärme aus dem KWK-Fernwärmenetz versorgt werden.
Der für die Wärmepumpen notwendige Strom wird durch das Mikrowasserkraftwerk und die PV-Module kompensiert.
Durch dieses Konzept ist es möglich maximale Energiegewinne mit minimalen Energieverlusten so zu kombinieren, dass das neue Gebiet Orschel-Hagen Süd überwiegend mit lokaler dezentral erzeugter Energie und Wärme in einer nahezu CO2 neutralen Bilanz versorgt werden kann.
Die Mischung der Wohnungsangebote und die Gestaltung des öffentlichen Raums und der Wegeverbindungen fördert nachbarschaftliche und generationenübergreifende Unterstützung.